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Fernerkundung

Katastrophenmonitoring mittels Satelliten

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Naturkatastrophen wie Überschwemmungen, Waldbrände oder Erdbeben stellen ein hohes Gefahrenpotential für das Leben auf der Erde dar. Schnelle und koordinierte Einsätze, ermöglicht durch Informationen aus dem All, sind im Ernstfall Voraussetzung um vielen betroffenen Menschen zu helfen. Doch wie funktioniert das Katastropehnmonitoring mittels Satellitenbildern und was ist Fernerkundung?

Optische Fernerkundung

Optische Fernerkundung funktioniert im Prinzip ähnlich wie das menschliche Sehen, nur dass bei Verwendung von Satelliten im All das Blickfeld eine größere Fläche umfasst und zusätzliche, für das menschliche Auge unsichtbare Informationen aufgenommen werden können. Die von der Sonne auf die Erde gesendete elektromagnetische Strahlung unterliegt im Kontakt mit der Atmosphäre und dem Erdboden Interaktionsprozessen. Die Energie kann von der Landoberfläche entweder aufgenommen (Absorption) oder gerichtet bzw. diffus abgegeben (Reflexion) werden oder auch, ohne Energieabgabe, hindurch gehen (Transmission). Da die meisten Oberflächen optisch dichte Medien darstellen, kann von einer Vernachlässigung der Transmission ausgegangen werden. Das Verhältnis aus reflektierter und absorbierter elektromagnetischer Strahlung ist daher Informationsträger über Materialzusammensetzung der Landbedeckungsart bzw. der Atmosphäre. Jede Oberfläche absorbiert und reflektiert einen materialspezifischen Anteil des eingestrahlten Spektrums. Das menschliche Auge kann beispielsweise die Farbe einer Oberfläche erkennen, da jeweils ein unterschiedlicher Teil des optisch sichtbaren Lichts reflektiert wird. Fernerkundungssatelliten sind nicht nur auf die Aufnahme von Reflexionen im sichtbaren Wellenlängenbereich (ca. 380 nm bis 780 nm) beschränkt sondern sammeln zusätzlich Informationen im Infrarot (meist bis ca. 2,5µm).

Sentinel – Wissen aus dem All

Sentinel-2

Sentinel-2 © ESA 

„Sentinels“ heißt die neue europäische Flotte an Umweltbeobachtungssatelliten der ESA. Die Missionen Sentinel-1 und Sentinel-2 liefern bereits großflächig Daten (https://sentinel.esa.int/web/sentinel/sentinel-data-access). Während Sentinel-1 eine Radarmission darstellt, ist Sentinel-2 als ein, wie im letzten Absatz beschriebener, klassischer Fernerkundungssatellit konfiguriert. Die Mission besteht aus den baugleichen Satelliten Sentinel-2A und -2B, welche separat gestartet in zwei versetzte polare Erdumlaufbahnen gebracht wurden. In Kombination erfassen die beiden Satelliten alle fünf Tage den weltweiten Zustand der Erdoberfläche.

Was sieht Sentinel-2?

Der sog. multispektrale Sensor des Satelliten nimmt im Wellenlängenbereich zwischen 0,443µm und 2,19µm auf und deckt den sichtbaren (VIS), nahen (NIR) und kurzwelligen infraroten (SWIR) Bereich ab.

S-2_Auflösungen

Spektrale Auflösung von Sentinel-2.

Die gebündelt am Sensor ankommende Strahlung wird durch die Verwendung von Prismen oder Gittern aufgespalten und unter-schiedlichen Detektoren zugeleitet. Dadurch wird ermöglicht, dass Informationen in verschiedenen Wellenlängenbereichen separat voneinander aufgenommen werden können. Sentinel-2 detektiert mittels 13, sogenannten Kanälen oder Bändern, die Reflexionen der Erdoberfläche. Neben den auch für das menschliche Auge wahrnehmbaren Farben (Blau, Grün und Rot) „sieht“ Sentinel-2 acht weitere Spektralbereiche im Infrarot.

Wie wird die Strahlung gespeichert?

Die Oberflächenreflexionen werden pixelbasiert, kanalabhängig in sog. digitalen Werten (DN) gespeichert. Die verwendeten ganzzahligen positiven Werte repräsentieren die Helligkeit eines Bildpunktes im jeweiligen Spektralbereich. Mittels der DN wird jedem Pixel ein Wert proportional zur Intensität der vom Sensor aufgenommenen elektromagnetischen Strahlung zugewiesen. Bei Sentinel-2 (8-bit-System) können die DN Werte zwischen 0 und 255 annehmen, wobei 0 die niedrigste und 255 die höchste Intensität darstellt.

Grauwertskala

Verschiedene Graustufenauflösungen in Abhängigkeit der zugrunde liegenden Bildspeicherung.

Zur Visualisierung wird meist ein Graustufenverlauf gewählt. Je mehr Grauwerte die Skala enthält, desto mehr Bildinformationen sind enthalten.
Um ein Bild zu generieren, wie beispielsweise unser Auge die Erde vom Weltall sehen würde, müssen mehrere Kanäle überlagert und gleichzeitig abgebildet werden. Das additive Farbmodell ist hierzu das gebräuchlichste. Darüber hinaus finden aber auch noch andere Farbmodelle in der Fernerkundung Verwendung. Durch die Kombination der Reflexionen in den drei sichtbaren Kanälen (Rot, Grün und Blau) wird ein so genanntes RGB-Echtfarbenbild erstellt.

RGB

RGB-Echtfarbendarstellung (Datengrundlage: Sentinel-2, ESA).

Die meisten Fernerkundungssensoren nehmen, ähnlich wie herkömmliche Digitalkameras, pixelbasiert auf. Bei Sentinel-2 beträgt die Pixelgröße 20m. Im Bild entspricht somit ein Pixel 20x20m auf der Erdoberfläche.

Katastrophenmonitoring – Für die Erde ins All

Der Waldbrand im Juli 2016 bei Nurri auf Sardinien (Italien) hat eine große Fläche so verändert, dass diese vom All aus erkennbar ist. Folgende Abbildung zeigt die RGB-Kombination der Region um Nurri sowohl vor (18.7.2016) als auch nach (28.07.2016) dem Brand.

RGB pre-post

RGB-Echtfarbendarstellungen vor (links) und nach (rechts) dem Waldbrand auf Sardinien nahe Nurri im Juli 2016. Das Ausmaß der verbrannten Flächen ist bereits mit bloßem Auge zu erkennen (Datengrundlage: Sentinel-2, ESA).

Bildauswertung

Um die Waldbrandfläche exakt bestimmen zu können helfen einfache Indizes. Mittels des so genannten Normalisierten-Differenzierten-Vegetations-Index (NDVI) können durch Kombination der Oberflächenreflexionen im roten und nahen infraroten Kanal Informationen über die Vegetation abgeleitet werden. Der NDVI nutzt die Eigenschaft, dass sich das Reflexionsspektrum vitaler Vegetation von nicht mehr lebendiger Vegetation bzw. allen anderen Landoberflächen deutlich vor allem im roten und nahen infraroten Wellenlängenbereichen unterscheidet.

NDVI

Reflexionsspektren von vitaler Vegetation (grün) und toter Vegetation (braun).

Während vitale Vegetation den roten Anteil des Sonnenlichts nahezu vollständig absorbiert, um Photosynthese zu betreiben, reflektiert sie im nahen Infrarot einen sehr hohen Teil der einfallenden solaren Energie. Nicht vitale Vegetation und alle anderen Oberflächen zeigen ein anderes Reflexionsverhalten. Diese besondere Eigenart gesunder Vegetation kann mathematisch mit Hilfe des NDVIs erfasst werden:

NDVI-Formel

 

 

Dabei steht „NIR“ bzw. „RED“ für die Reflektanz einer Oberfläche im nahen infraroten bzw. im roten Wellenlängenbereich (NIR: ca. 800 nm bis 900 nm; RED: ca. 600 nm bis 700 nm, je nach Satellit/ Sensor). Die Reflektanz beschreibt das Verhältnis aus reflektierter zu einfallender Strahlung und wird meist in Prozent angegeben. Der NDVI kann Werte zwischen +1 und -1 annehmen wobei das Kriterium, welches Vegetation von anderen Landoberflächen abgrenzt, bei ca. 0,4 liegt. Während Werte größer 0,38 Pflanzen zuzuordnen sind, werden Oberflächen wie Städte, offene Böden, Gewässer oder im vorliegenden Fall verbrannte Flächen von Werten geringer 0,4 repräsentiert.

Mittlere NDVI-Werte verschiedener Landbedeckungsarten

NDVILandbedeckungsarten
< 0,1 Gewässer, Böden, Gestein, Sand oder Schnee
0,2 bis 0,3 Vegetation geringer Vitalität
0,3 bis 0,6 Mittlere bis dichte Vegetationsbedeckung
> 0,6 Sehr dichte Vegetation hoher Vitalität

Bereits beim einfachen direkten Vergleich der NDVI-Bilder stechen die durch Feuer veränderten Flächen in der Bildmitte hervor.

NDVI pre-post

NDVI in Graustufen von hohen (weiß) zu geringen NDVIs (schwarz) für das Gebiet um Nurri vor (links) und nach (rechts) dem Waldbrand im Juli 2016 (Datengrundlage: Sentinel-2, ESA).

Um die kurzfristigen Veränderungen des Brandes beurteilen zu können, hilft eine Darstellung der pixelweisen Differenzen der beiden NDVI-Bilder. Im Differenzbild sind die großflächigen dunkelgrauen Bereiche des Bildes zwischen dem 18. und 28.07.2016 unverändert geblieben, während die heller bis weiß eingefärbten Pixel in der Bildmitte Vegetationsabnahmen bedeuten und so den durch Waldbrand betroffenen Flächen zugeordnet werden können.

Differenz

Differenzbild (Datengrundlage: Sentinel-2, ESA).

Die Bildanalyse wurde mit der Software LEOWorks, welche speziell für Schüler weiterführender Schulen zur selbstständigen Bearbeitung von Satellitenbildern entwickelt wurde, durchgeführt. LEOWorks ermöglicht eine einfache Darstellung, Analyse, Bearbeitung und Auswertung von Erdbeobachtungsaufnahmen. Die Software steht unter: http://leoworks.terrasigna.com/ kostenfrei zum Download.


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